Der Sonntag: Nur in der Kritik vereint

In Freiburg hatte man sich auf einen langweiligen Oberbürgermeister-Wahlkampf eingestellt. Doch der hat sich in einen Krimi verwandelt wie ihn die Stadt zuletzt 1982 bei der Wahl zwischen Rolf Böhme (SPD) und Sven von Ungern-Sternberg (CDU) erlebt hat. Damals gelang Böhme im zweiten Wahlgang eine furiose, nicht für möglich gehaltene Aufholjagd.

In der Rolle des Zweiten findet sich nun Dieter Salomon wieder, düpiert von einem bis vor wenige Wochen unbekannten Europabeauftragten der Stadt Sindelfingen. Das Desaster komplett gemacht hat das starke Ergebnis der linksalternativen Monika Stein. Martin Horn und Stein haben die Salomon-Kritik in den Mittelpunkt ihrer Kampagne gestellt – zusammen holten sie mehr als 60 Prozent. Geschlagen ist Salomon damit aber nicht. Denn die Anti- Salomon-Lager trennt mehr als sie vereint. Stein hätte eine Wahlempfehlung für Horn ihren Wählern im linken Milieu nicht glaubwürdig vermitteln können. So trat sie die Flucht nach vorne an und hofft auf einen Dreikampf. Es dürfte aber schwer sein, ihr starkes Ergebnis zu toppen. Salomon hingegen spekuliert auf die Denkzettelwähler, die aus Protest gegen hohe Mieten und anderes ihn ärgern wollten und womöglich über das Ergebnis so erschrocken sind wie der Bestrafte selbst. Vor allem aber setzt der Amtsinhaber auf bürgerliche Wähler, die mangels Kandidat beim ersten Wahlgang zuhause blieben. Der große Unbekannte bleibt Horn. Nach seinem Coup sollte niemand leichtfertig glauben, er könne Wähler nicht länger als einen Wahlgang binden.

KLAUS RIEXINGER

Quelle: http://img.der-sonntag.de/dso-epaper/pdf/DS_frs_29.04.2018.pdf