chilli freiburg: „Votum für Veränderung“ – OB-Kandidat Martin Horn beim Redaktionsbesuch

Er geht durchaus als Favorit in den zweiten Wahlgang: Martin Horn holte im ersten in Freiburg völlig überraschend 34,7 Prozent und verwies damit Amtsinhaber Dieter Salomon (31,3), Monika Stein (26,2) und die anderen Kandidaten auf die Plätze.

Beim Redaktionsbesuch gibt sich Horn selbstbewusst und zielstrebig. „Das war ein spektakuläres Ergebnis, ich bin überglücklich, dankbar und hoffe, dass ich das halten oder sogar ausbauen kann“, sagt der von der SPD und vielen anderen unterstützte Sindelfinger.

Wenn in der Stadt von einem Denkzettel für Salomon gesprochen und geschrieben wird, kann er das nicht nachvollziehen: „Fast 70 Prozent haben gegen eine dritte Amtszeit von Salomon gestimmt, das ist ein klares Votum für Veränderung. Die biete ich.“

Der 33-Jährige spricht nach den Reaktionen auf ersten Wahlgang von einer Diffamierungskampagne gegen ihn. So schrieb die Badische Zeitung über einen „Nobody aus Schwaben“, Salomons Unterstützer, zu denen in Freiburg auch die CDU zählt, die nicht mal einen Kandidaten aufgestellt hatten, sprechen von „Praktikant“ oder „Sachbearbeiter“. Horn schüttelt den Kopf, trinkt einen Schluck Kaffee. „Wer mich diffamiert, diffamiert die Wähler.“

Statt ihn abzuqualifizieren, müsse man akzeptieren, dass es einen „Wunsch nach Veränderung“ gebe. Wie soll die aussehen? Er stehe für einen anderen Politikstil. Für monatliche Bürgersprechstunden in den Stadtteilen – „das ist doch kein Hexenwerk, keine Sensation“. Es könne auch nicht sein, dass der OB erst die Presse über den aktuellen Stand in Sachen Stadtjubiläum informiert und danach den Gemeinderat. „Das geht doch nicht.“

Sein Kernthema aber ist der bezahlbare Wohnraum. Horn fordert ein Leerstandskataster, eine aktive Liegenschaftspolitik, eine Weiterentwicklung der Freiburger Stadtbau (FSB) und innovative Projekte. Dass ein Kataster kaum nennenswerte Potenziale zutage fördern würde, ficht ihn nicht an: „Wir müssen doch mal den Ist-Zustand dokumentieren, andere Städte haben ein solches Kataster. Wenn ich OB werde, dann wird der Ist-Zustand erhoben und dann wird gemeinsam ein Zielzustand formuliert.“

Nicht nur er, auch die Freiburger Architektenkammer fordere schon seit Jahren eine aktivere Liegenschaftspolitik. Die Stadt könne auch eine neue Gesellschaft gründen, die dann auf dem freien Markt ganz anders agieren kann, als es eine Kommune kann. Die erworbenen Grundstücke könnten dann an Genossenschaften, ans Mietshäuser-Syndikat, an die FSB oder an Baugruppen zu Preisen veräußert werden, die bezahlbaren Wohnraum möglich machen. Das sei in entsprechenden Vereinbarungen mit den Käufern zu sichern. Dieser Weg stünde auch privaten Bauträgern offen.

Es mache im Übrigen keinen Sinn, dass das Liegenschafts- und das Vermessungsamt beim Finanzdezernenten angesiedelt seien. Liegenschaften gehörten in einer Stabsstelle direkt zum OB, die Vermessung ins Baudezernat. Die stark umstrittene 50-Prozent-Quote für den sozialen Mietwohnungsbau hält er „im Ist-Zustand“ für absolut richtig.

Auch wenn er weiß, dass private Bauträger den defizitären sozialen Wohnungsbau scheuen. „Wir müssen bezahlbaren Wohnraum schaffen, teuren haben wir genug. Wenn wir nur 30 Prozent preiswerten Wohnraum bauen, dann haben wir 70 Prozent teuren.“

Im Übrigen sei die Quote ein Beschluss des Gemeinderats, das ist eine „demokratische Verpflichtung“. Freiburg solle beim sozialen Wohnungsbau vielmehr „Vorreiterstadt mindestens in Baden-Württemberg werden“, dafür müsse sich die Stadt aber auch Expertisen aus anderen Städten wie Ulm, München oder Wien holen.

Mit ihm als OB gehe beim Stadtteil Dietenbach an 50 Prozent sozialem Mietwohnungsbau kein Weg vorbei. Andernfalls solle man lieber überlegen, „ob wir überhaupt bauen“. Ihm gehe es dabei keinesfalls um „Ideologie“. Wenn der Ist-Zustand irgendwann besser ist, könne die Quote auch wieder sinken. Er wolle sich deswegen mit den Bauträgern zusammensetzen, um auszuloten, wie das umgesetzt werden kann.

Die Wohnungssituation in Freiburg sei „nicht tragbar. Wir verlieren für die Stadtgesellschaft wichtige Menschen und Einkommenssteuer ans Umland. Und gewinnen Pendler.“

Finanzpolitisch könne das Rathaus im Grundsatz nur das Geld ausgeben, was es auch einnehme. Eine massive Neuverschuldung enge Spielräume ein. Aber: Die Stadt müsse in den Wohnungsbau investieren und wenn die Kommune heute für 0,25 Prozent Geld leihen kann und die Baukosten jährlich um vier Prozent steigen, dann muss man schon genau überlegen, ob gewisse Schulden nicht durchaus sinnvoll seien.

Sinnvoll seien auch die Bestrebungen der Stadt beim Klimaschutz. „Freiburg ist grüne Stadt und sollte noch grüner werden. Klimagerechtigkeit, Umweltbewusstsein und soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit sind sehr wichtig.“ Horn ist ein Freund der Kleingärten und will den Mooswald erhalten. Er fordert ein Konzept für die Nachnutzung des Schwarzwaldstadions und die Nachnutzung der Fläche rund um die alte Eishalle. Eine Offensive für die Digitalisierung der Stadt und eine bessere Förderung für Familien und Start-ups. Es müssten zudem viel konsequenter Fördermittel akquiriert werden.

Mit ihm, der neuen FWTM-Chefin Hannah Böhme und dem neuen Finanzbürgermeister Stefan Breiter sei die „Chance für einen Generationenwechsel“ in Freiburg. Breiter verwahrte sich in einer Pressemitteilung dagegen: „Ich bin äußerst irritiert darüber, dass in einer solchen Weise versucht wird, meine Person und mein Amt zu Wahlkampfzwecken zu instrumentalisieren.“

Horn sieht sich als bodenständigen, überparteilichen Kandidaten, der verwaltungserfahren mit internationaler Expertise sei und einen sozialen Wertekompass habe. Der 6. Mai wird zeigen, ob das die Mehrheit der Wählerschaft überzeugt.

Text: Lars Bargmann / Fotos: © Fionn Große

Quelle: http://chilli-freiburg.de/02-freiburg/votum-fur-veranderung-ob-kandidat-martin-horn-beim-redaktionsbesuch/